Donnerstag, 6. November 2008

Ich soll ja nicht immer so negativ sein - also schön, dass das Geld unter die Leute kommt!

Aber bevor man das liest, sollte man wissen:
In jeder Minute in der man sich ärgert, verliert man 60 glückliche Sekunden! Also anschliessend wieder glückliche Sekunden sammeln.

Leitartikel im Weserkurier von heute:


Spendierlaune im Rathaus - ohne Geld
Trotz Haushaltsnotlage werden locker Millionenbeträge verteilt / Von Michael Brandt und Wigbert Gerling
Finanziell steht Bremen das Wasser bis zum Hals. Höher eigentlich noch. Es herrscht seit Jahren eine extreme Haushaltsnotlage. "Eigenanstrengungen" bei der Sanierung gehören zu den obersten Geboten der Rathaus-Politik. Es wird so gespart, dass es "richtig weh tut". Laut rot-grünem Koalitionsvertrag ist "vieles Wünschenswerte nicht finanzierbar". Schluss mit dem Geldausgeben.
So viel zur Theorie.
Die täglichen Nachrichten aus dem Rathaus und den Fachressorts sprechen eine andere Sprache. Was auf der Wunschliste steht, das wird im Handumdrehen auch gemacht und finanziert. Das sieht immer mehr nach dem Motto aus: Geld spielt keine Rolle, vor allem dann nicht, wenn es um Großbeträge geht. Um einen Betrag von 10 000 Euro wird monatelang gestritten, aber bei dreistelligen Millionenbeträgen wird nicht lange gefackelt.
Die Schuldenuhr tickt, die 15-Milliarden- Grenze ist längst überschritten - und die Koalition stört es offenbar kaum noch, ob es nun 15,5 Milliarden, 15,7 Milliarden oder 15,9 Milliarden werden. Was kostet die Welt?
Gutachten - das ist ein zentraler Begriff im Finanzspiel der Landesregierung. Mal eben 700 000 Euro, um die Personalplanungen in den städtischen Kliniken zu begleiten - kein Problem. Oder: Es darf ein ähnlicher Betrag ausgegeben werden, nur um eine Ausschreibung für die städtische Werbefläche zu organisieren. Als gäbe es in den Behörden nicht auch gute, hochqualifizierte und ohnehin öffentlich bezahlte Beschäftigte, vom Betriebswirt bis zum Juristen.
Geschenke werden locker verteilt. Entgegen den eigenen Beteuerungen, die gewünschten fünf Millionen Euro jährlich für die Jacobs-Universität kämen garantiert nicht aus der Steuerkasse - "versprochen!" - taucht der Betrag nun doch unter der Überschrift "Einzelprobleme" in den aktuellen Haushaltsunterlagen auf. Die Schamfrist ist offenbar verstrichen.
Auffallend auch eine finanzpolitische Kombination aus jüngster Zeit. Da hofft das Rote Kreuz Krankenhaus auf einen - gesetzlich verankerten - Zuschuss von knapp neun Millionen Euro zum Bau von Operationssälen - und am selben Tag verkündet Bürgermeister Jens Böhrnsen im Rathaus: Es sei mit Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee gesprochen worden - ja, und da sei es nun leider so, dass der Bund die staatlichen Zuschüsse zum Bau des Seehauser Tunnels erhöht und Bremen nun eben mitziehen müsse. Das kleinste Bundesland habe auch gleich zugesagt. Kostenpunkt: 16 statt bisher sechs Millionen. Beim Tunnel anscheinend keine Hürde, bei den Operationssälen schon.
Millionen Euros sind wieder einmal irgendwo gefragt? Kein Grund zur Aufregung oder auch nur zur Nachfrage. Das klappt stets sogar mit einem Gefühl von "ganz lapidar". Bestes Beispiel: Rund 60 Millionen Euro wird der Straßenbahnausbau für Bremen teurer. Einen Grund, das Gleisprogramm zu überdenken oder auch nur etwas einzudampfen, liefert ein solcher Betrag offenbar nicht. Keine Debatte, kurze Abstimmung, was kümmern uns die paar Nullen mehr?
Seid umschlungen ihr Millionen - die Politik breitet da die Arme immer aufs Neue ganz weit aus: Umbau des Bildungssystems? Macht nach groben Schätzungen schlappe 60 Millionen. Bei rund 50 Millionen Euro liegt der Bremen-Anteil am Jade-Weser-Port.
"Wir leisten uns", so hieß es vor einem Jahr, "keine goldenen Wasserhähne". Für Botanika oder, richtig schrill, eine Eislaufhalle für ein zweitklassiges Team in Bremerhaven, sind aber immer noch viele Millionen da (Mehr sei zu Bremerhaven an dieser Stelle nicht gesagt - die Stadt läuft als "Wunderland von Bürgermeister Jörg Schulz" eigentlich haushaltspolitisch schon außer Konkurrenz). Aber weiter: Bei den Personalkosten fehlen in den kommenden zwei Jahren wohl knapp 50 Millionen Euro - von dem rot-grünen Postulat aber, wonach in den oberen senatorischen Stabsstellen besonders eifrig gespart werden soll, ist nichts zu hören und nur das Gegenteilige zu beobachten. Oder, ganz aktuell: Das Rettungspaket für die Banken bedeutet für Bremen ein weiteres Risiko in Höhe von 75 Millionen Euro.
Und dann lauert da noch ein ganz dicker Brocken, der nur mit einer finanzpolitischen Operation höchster Güte aus dem Weg geräumt werden kann: die städtischen Kliniken. Da geht es nicht um 700 000 Euro für Gutachter, sondern dann schon eher auf weitere Sicht um Hunderte von Millionen Euro. Der Staat muss die Pensionlasten übernehmen, die die Kliniken erdrücken. Macht etwa 70 Millionen. Es soll ein Neubau an die St.-Jürgen-Straße - Bremen geht als Bürgschaftsgeber mit mindestens 200 Millionen ins Risiko. Ein Kontokorrentkredit für die notleidenden Häuser von 200 Millionen? Kein Problem, läuft längst.
Wünsche gibt es immer wieder, Bremen leistet sich - der Haushaltslage zum Trotz - noch allerhand. Und Geld bekommt das Land ja auch weiter bei jeder guten Bank und Sparkasse. Man mag sich gar nicht ausmalen, was passierte, entdeckten die Richter vom Bundesverfassungsgericht, das von Bremen zur Nothilfe angerufen wurde, ein Herz für Bremen und sorgten dafür, dass der Bund einmal mehr sein Füllhorn über dem Bundesland ausschütten muss.
Seit über einem Jahr ist inzwischen die neue Regierung am Werk. Rotgrün hat für sich - siehe den Eingang dieses Textes - in Anspruch genommen, jetzt richtig ernst zu machen mit dem Sparen. Erkennbar ist der Umschwung nicht. Sparen bedeutet Verzicht. Rot-Grün fehlt der Mut, die internen und externen Konflikte, die dann zwangsläufig folgen, auch auszuhalten. Eigenanstrengungen? Offenbar ist es immer noch einfacher, mit Geldausgeben auf Pump alle glücklich zu machen.

2 Kommentare:

juwi hat gesagt…

Liebe Brigitte,

Da hab' ich jetzt aber seeeehr viele Sekunden zu sammeln. Ich fang glaub' ich besser gleich damit an. Sonst schaffe ich das heute nicht mehr.

Sonnige Grüße (gegen den grauen Himmel),
Jürgen

Anonym hat gesagt…

Auch ein Aspekt:
Zitat:
"Geld ist eine fantastische Erfindung. So wie mit dem Rad der Transport der Güter auf eine vorher unvorstellbare Weise vereinfacht wurde, wird mit Geld der Tausch erleichtert. Ohne das Geld wäre unser heutiger Wohlstand nie möglich geworden. Beide Erfindungen, Rad und Geld, waren aber von Anfang an mit Umlaufschwierigkeiten verbunden. Der Umlauf des Geldes wird heute noch ständig unterbrochen und partiell blockiert. Dabei kennen doch alle das Sprichwort vom Rubel, der rollen muss!
Aufgehalten wird das Geld nicht so sehr dadurch, dass wir es zur Bank tragen, um zu sparen, denn das dort geparkte Geld kommt über Kredite in den Wirtschaftskreislauf zurück. Blockiert wird sein Umlauf aber dadurch, dass wir es in der Brieftasche oder auf dem Girokonto deponieren und so festhalten. Das bewirkt ein Aufschieben der Nachfrage, was zu Unterbrechungen des Geldkreislaufs führt. Die Folge: Die Unternehmen können ihr Angebot nicht absetzen, müssen ihre Produktion herunterfahren, die Beschäftigung geht zurück. In letzter Konsequenz führt zurückgehaltenes Geld also zur Arbeitslosigkeit."
Liebe Grüße Gitta