Samstag, 10. April 2010

Es ist nicht immer einfach alles zu verstehen ...

zu meinem Beitrag über die Trauerfeier der gefallenen Soldaten in Afghanistan habe ich von Jürgen einen flammenden 2-teiligen Kommentar bekommen, den ich erst einmal verdauen muss. Ich bin nicht mit allem einverstanden, was er sagt und eine Lösung für die Probleme dieser Welt kann ich auch nicht aus der Tasche ziehen. Ein Satz von ihm aber hat mich betroffen gemacht: Er sagt, dass er kein Mitleid mit den gefallenen Soldaten hätte, denn sie hätten gewußt, auf was sie sich einlassen. Kann man das einfach so sagen? Mir tun die gefallenen Soldaten leid, auch wenn sie gewußt haben, dass sie diesen Einsatz eventuell mit ihrem Leben bezahlen müssten. Ich bin gegen jeden Krieg und auch gegen jede Form von Gewalt, aber ich weiß auch, dass es eine Welt ohne Gewalt nicht gibt und dass es immer wieder gewalttätige Menschen gibt. Manchmal erwische ich mich bei dem Gedanken, dass man gewalttätige Menschen nur mit gleicher Gewalt bestrafen sollte, weiss aber gleichzeitig, dass diese Gedanken falsch sind, denn Auge um Auge und Zahn um Zahn hat noch niemanden weitergebracht, geschweige denn die Welt friedlicher gemacht. Ich bin da manchmal mit meinem Latein am Ende. Wie seht Ihr das? Tun Euch die gefallenen Soldaten leid, oder seid Ihr so radikal wie Jürgen und sagt, die haben selber Schuld?

4 Kommentare:

Kerstin hat gesagt…

Mir tun ja nicht nur die Angehörigen der deutschen Soldaten leid, sondern ALLE Angehörigen Gefallener. Es kann auch nicht nur Kriegsdienstverweigerer geben, Armee gab es immer und wird es immer geben. Grundwehrdienstleistende werden nicht im Ausland eingesetzt und wer länger geht weiß, dass solche Einsätze dazu gehören mit allen Konsequenzen und Eventualitäten, aber dennoch ist jedes Opfer ein Opfer zuviel - die Menschheit hat noch nicht genug gelernt!
So, das war meine Meinung - jetzt schnapp ich mir mein Hündchen und genieße die letzten Sonnenstrahlen, die gerade noch einmal hervor kommen.
Liebe Grüße vom Träumerle Kerstin.

Dies und Das vom Neckarstrand hat gesagt…

Sicher tun mir die Soldaten leid. Und dann : Wir haben kein Freiwilligen-Heer. Auch wenn die Soldaten wisssen, was auf sie zukommt.
Dienstverweigerung geht wohl nicht

Birgit hat gesagt…

Im Jahre 2010 sind wir alle kritischer und aufgeklärter als vor 70 Jahren. Sie wissen bzw. wussten was auf sie zukommt. Schlimm ist nur, das erst jetzt es klar gesehen wird, das wir unsere Leute in ein Land schicken in dem Krieg herrscht. Mitleid hab ich mit den Angehörigen, aber auch wie Kerstin schrieb mit allen Angehörigen - nicht nur von Gefallenen sondern mit allen die vor der Zeit jemanden verloren haben.
LG
Birgit - die gestern die Sonne in Bremerhaven genossen hat ;-)

juwi hat gesagt…

Hallo Brigitte,

wie Kerstin richtig bemerkt, werden Grundwehrdienstleistende nicht im Ausland eingesetzt. Die Soldaten, die nach Afghanistan geschickt wurden, wussten also sehr wohl, dass sie dort in die Situation kommen könnten zu töten und getötet zu werden. In zivilen Berufen nennt man so etwas "Berufsrisiko".

Zu meiner Zeit wusste jeder, dass er der Gefahr, in einem Krieg im Ausland fremde Menschen erschießen zu müssen, nicht ausgesetzt sein würde. Zu meiner Zeit war die Welt der ständigen Gefahr der atomaren Vernichtung ausgesetzt - auch wenn das niemand wahr haben wollte: Der Krieg war vorüber. Die Kinder des Wirtschaftswunders lebten in der scheinbar friedlichen Idylle des freien Westdeutschlands...

Mir war aber sehr wohl bewusst, dass die in Deutschland als Bestandteil der "Abschreckungsstrategie" des Kalten Krieges stationierten atomar bestückten Kurz- und Mittelstreckenraketen aufgrund ihrer Ausrichtung und Reichweite bestenfalls Ziele in Ostdeutschland, wahrscheinlicher aber solche in einer Zone entlang der Grenze zur ehemaligen DDR erreichen konnten. Sie konnten also nur den Zweck haben, einen Streifen der "Verbrannten Erde" zu hinterlassen. Auf beiden Seiten der Grenze wären deutsche Menschen umgekommen. Ihre Städte und Dörfer wären in eine radioaktiv verstrahlte Wüste verwandelt worden, um die von Osten vorrückenden Truppen aufzuhalten. Ich war nicht bereit, diesen Wahnsinn zu unterstützen.

Seitens meiner Eltern bekam ich damals keinerlei Unterstützung. Stattdessen bekam ich von allen Seiten nur die Floskel "Geh' da man ruhig hin. Das hat noch keinem geschadet." zu hören, und nachdem man mir die Anerkennung Kriegsdienstverweigerer verwehrt hatte, musste ich irgendwann zum Kriegsdienst antreten. Am ersten Wochenende während der "Grundausbildung", an dem man mich nach Hause fahren ließ, hatte ich, als ich zu Hause ankam, noch meine Erkennungsmarke - wir nannten sie "Hundemarke" - um den Hals. Meine Mutter sah, wie ich sie abnahm, und fragte mich mit leicht neckischem Unterton: "Was trägst du denn da für eine silberne Kette um den Hals." Ich erklärte ihr: "Das ist meine Hundemarke. Wenn ich einmal erschossen werde, dann wird der untere Teil der Marke an der Perforierung abgebrochen, und an die Kriegsverwaltung geschickt. Die benachrichtigt euch dann über meinen Tod. Der andere Teil der Marke bleibt am Hals meiner Leiche, damit diejenigen, die mit ihr zu tun haben, wissen mit welchem Toten sie es zu tun haben." Meine Mutter wurde kreidebleich und fragte mich stockend, wie ich nur auf den Gedanken kommen könne, so etwas schreckliches zu ihr zu sagen...

Sie hatte gefragt. Ich hatte wahrheitsgemäß geantwortet. Aber ich glaube, es ist ihr erst damals wirklich bewusst geworden, dass es mir sehr wohl schaden könnte, wenn ich "da man ruhig hin" gehe. Bis sie begriff, dass ihr geliebter Sohn möglicherweise andern Müttern das gleiche Leid zufügen könnte, und dass diese um ihre von mir erschossenen Söhne ebenso trauern würden wie sie, wenn ein Soldat mit einer Todesnachricht an ihrer Tür klingeln würde, das hat dann noch eine ganze Zeit gedauert.

Es ist dieses Verdrängen der Wahrheit, dieses sich selbst in die Tasche lügen, das es den Menschen überhaupt nur ermöglicht, ihr "normales", aus den Fugen geratenes Leben weiterzuleben. Und es ist genau der sachliche Realismus, mit dem ich der Militärpropaganda schon damals gegenüberstand, die mich heute dazu veranlasst zu sagen: Sie wussten was sie möglicherweise erwartet. Es ist ihre eigene Schuld, wenn sie in Afghanistan umkommen. Niemand hat sie dazu gezwungen, sich zu verpflichten.

Ich sehe sie aber nicht als Täter, als berechnende Mörder (auch nicht, wenn sie auf Befehl Menschen ermorden). Wie die Afghanen, die durch die Schuld der Soldaten sterben, wurden auch die toten Soldaten zu Opfern der Bundesregierung, die zu feige war "Nein" zu sagen zu "unseren Freunden in der NATO“.

Gruß,
Jürgen