Samstag, 30. Oktober 2010

Die Grünkohlsaison hat angefangen .....

"Kohl und Pinkel" wer hat das nicht schon mal gehört? Aber je weiter man in den Süden Deutschlands kommt, umso weniger kennt man dort das Traditionsgericht der  Norddeutschen, die aus dem Elbe-Weser-Gebiet kommen.

Immer, wenn es den ersten Frost gegeben hat, ist es an der Zeit, Günkohl zu essen, denn es heisst, wenn er den ersten Frost hinter sich hat, schmeckt er besser. Inzwischen wird der industrielle Grünkohl auch schon früher geerntet.  Ob man  allerdings immer den Unterschied schmeckt, das bezweifel ich vehement. Ich  habe nämlich auch gute Erfahrungen mit tiefgefrorenem Grünkohl gemacht, wobei die Esser oft der Meinung waren, es handelte sich um frischen Kohl, bis ich sie dann aufgeklärt habe.

Es ist bei uns eine lange Tradition, nicht nur zuhause Grünkohl zu kochen und zu essen, sondern es werden während der Kohlsaison auch überall sogenannte Kohl- und Pinkelwanderungen gemacht. Typisch daran ist, dass man zu dieser Zeit, meist am Wochenende, Gruppen mit einem Bollerwagen durch die Strassen ziehen sieht, in dem sich alkoholische Getränke zum Aufwärmen befinden. Jeder etwas grössere Verein oder auch Nachbarschaftsgruppen oder Freundeskreise veranstalten so eine Kohlwanderung und da es bei uns zu dieser Zeit meistens sehr kalt ist, muss man immer mal wieder eine Pause machen und dabei einen Korn oder anderes aus einem um den Hals gehängten Schnapsglas trinken, denn sonst würde man sich ja bei den Wanderungen den Tod holen.  Wenn wir dann in der Kohlgaststätte ankommen, dann haben wir den richtigen Hunger für dieses deftige Gericht, denn es wird mit Pinkel (einer recht fettigen Grützwurst), gekochten und geräucherten Bauchscheiben, Kassler, sowie Kochwurst serviert.  Dazu gibt es dann Kartoffeln und manchmal auch zugleich Bratkartoffeln, weil der eine oder andere die jeweilige Variante vorzieht.

Oft wurde ich gefragt, woher denn der Name "Pinkel" für die Wurst kommt. Für diesen Namen gibt es zwei Erklärungen und welche die richtige ist, weiss auch ich nicht. Die erste Variante ist die, dass die Wurst, die aus folgenden Zutaten besteht: Würfelspeck, Gerstengrütze, Rindertalg, Schweineschmalz, Zwiebeln, Salz, Pfeffer und anderen Gewürzen, als Hülle oder Pelle ein Stück eines gereinigten Mastdarms eines Rindes bekommt und dieser Mastdarm im Plattdeutschen Pinkel heisst.

Die zweite Variante ist, dass die Wurst früher beim Bauern in der Räucherkammer hing und wenn sie fertig geräuchert war, anfing zu pinkeln, also zu  tropfen.

Und nun muss man nicht denken, dass beim Essen Schluss ist mit Korn und Bier ist. Nein, während des Essens wird natürlich ordentlich weiter getrunken, denn das deftige Essen braucht ja die richtige Unterlage, damit einem hinterher nicht schlecht wird von soviel Fett. Ja, und dann gibt es noch die schöne Tradition des Kohlordens. Diesen, er besteht aus einem riesengrossen Knochen, auf dem das Datum der Kohlwanderung steht, bekommt derjenige, der an dem Abend das meiste gegessen hat. Man nennt ihn daher auch den Fressorden. Logisch, dass den fast nur Männer gewinnen, denn meistens haben die ja dann doch den grösseren Hunger. Ja, und damit das ganze dann anschliessend auch noch richtig abgearbeitet wird, wird viel getanzt, gelacht, Spielchen gemacht und danach geht es dann meistens auch zusammen zurück nach Hause entweder wieder per pedes oder per Taxi.

Also, ich kann mich an Kohlwanderungen in meiner Jugend erinnern, nach denen ich erst am nächsten Morgen nach Hause kam, aber Spass haben sie immer gemacht, die Grünkohlwanderungen. Später, als ich nicht mehr in Bremerhaven lebte, habe ich dann auch Grünkohlessen in der Fremde  z.B. in Bayern und in Hessen veranstaltet und sie sind bei meinen Freunden immer sehr gut angekommen. Natürlich wurde ein Teil der Bräuche, z.B. das Trinken aus dem umgehängten Schnapsglas beibehalten und auch diese Abende endeten immer feucht-fröhlich, aber sie haben mein Heimweh gemindert und den anderen den norddeutschen Brauch des Kohl- und Pinkelessens nahegebracht.

PS: Inzwischen habe ich gehört, dass das Grünkohlessen auch schon in manchen Spezialitäten-Restaurants im Süden des Landes Einzug gehalten hat. Wer sagt's denn, wir Norddeutsche wussten schon immer was richtig gut schmeckt:-)!

8 Kommentare:

ute hat gesagt…

wir machen hier von der firma auch je des jahr eine "kohltour" :-)
dein teller auf dem foto ist aber gigantisch.. da würde ich 2 tage von futtern :-)

Bärbeli hat gesagt…

Na dieses Gericht könnte doch fast, nach den vielen feinen Fischen bei Euch, ein neuer Anstoß für einen Urlaubstrip in den Norden sein.
Deine Beschreibung klingt wie ein echtes Ritual.
Wünsche Dir noch ein schönes WE...
Viele Grüße aus dem Erzgebirge!

Elke hat gesagt…

Also ich kenne nur den Namen dieses Gerichtes. Grünkohl soll ja gesund sein, aber den Rest würde nicht runter bekommen, das wäre mir zu fett. Ich glaube schon, dass es gut schmeckt, aber mit fetten Gerichten kommt meine Verdauung nicht klar. Das ist manchmal schade, gilt nämlich gleichermaßen für Sahnetorte ;-)
Lieben Gruß
Elke

Brigitte hat gesagt…

Fand ich jetzt für eine schwäbische Bayerin sehr interessant! Und Hunger hab ich auch gleich bekommen, bei dem Anblick!

Am Anfang unserer Ehe habe ich auch mal geglaubt Grünkohl kochen zu müssen. Hat leider beim Herrn des Hauses nicht die nötige Begeisterung gefunden. Sicher habe ich's u. U. auch nicht richtig gemacht.

Jedoch, ich würde ihn nach deiner detaillierten Beschreibung sofort wieder essen, notfalls auch mit dem Schnapsglas um den Hals. Ich finde, man sollte immer alles erst probieren, dann kann man sich auch ein Urteil erlauben.

War jetzt für mich eine interessante Erklärung von "Kohl und Pinkel"!

Lieben Gruss zum Samstagabend, Brigitte

Anonym hat gesagt…

Toller Bericht zum Thema Grünkohl, WIR freuen uns schon auf die Tour 2011. Zuerst wandern, dann essen und nett plaudern.
Also Brigitte....anmelden nicht vergessen...
Heiko

Dies und Das vom Neckarstrand hat gesagt…

Liebe Brigitte,
es stimmt schon, daß es hier in BW nicht überall Grünkohl gibt. Bei uns heißt es dann nicht Pinkel sondern Mettwurst und man isst Msronen dazu.
>Liebe Grüße
Irmi

Sammy hat gesagt…

hast recht, ich kenne das essen nicht, aber dem foto nach zu urteilen sieht es sehr lecker aus. ich hoffe dir hat's geschmeckt. jetzt muss ich direkt mal ueberlegen ob's bei uns hier drueben ueberhaupt gruenkohl gibt *gruebel* wir haben collard greens und turnips. ob das das gleiche ist?

lg
Sammy

Anke hat gesagt…

Das Gericht Grünkohl mit Pinkel bedeutet, wusste ich, da wir Verwandte im Norddeutschland hatten. Aber dieses mit einer Kohlwanderung in Verbindung zu bringen, ist mir neu. Interessant! Danke dir , für diesen Bericht, liebe Brigitte.
Grünkohl gibt es bei uns auch öfters im Winter, aber durcheinander , als Eintopf und ohne Mettwurst und Pinkel, weil ich es auch nicht vertrage. Wir nehmen stattdessen Gemüsebrühe und essen dazu eine Geflügelbrühwurst. Schmeckt auch!
Dir noch einen gemütlichen Abend und morgen einen ruhigen Tag.
Liebe Grüße, Anke